Neuromancers Schreibwerkstatt

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Das blinde Huhn...

Hallo liebe Lesefreunde,
Es ist unfassbar, die Qualität der Geschichten in der Schreibwerkstatt wird von Mal zu Mal besser. Offensichtlich schaukeln sich die Autoren gegenseitig in immer höhere literarische Sphären. Wir können von Hühnern lesen die an Rocky erinnern, lernen, dass am Mississippie ein Spiel namens "Das Blinde Huhn" existiert und erfahren die Geschichte der Psychologin Sabrina.

Außerdem wurde diesmal gedichtet was das Zeug hält und gerade ein Gedicht war so gut, dass ich es mit einem Sonderpreis ehren musste. Deswegen wird es an dieser Stelle mit veröffentlicht.

Wenn ihr Lust auf ein paar spannende und emotionale Geschichten habt, dann nehmt euch ein bisschen Zeit und stöbert im Forum der Schreibwerkstattnach den besten Geschichten.

An dieser Stelle muss ich allerdings wieder einmal darauf hinweisen, dass geklaute Geschichten nicht nur gelöscht werden, nein, außerdem wird man dauerhaft vom Wettbewerb ausgeschlossen. Also lasst es einfach. Außerdem werden bearbeitete Einträge nicht gewertet, um so Ideenklau auszuschließen. Am besten Ihr schreibt die Geschichte erst fertig und postet sie dann. Im Zweifelsfall am besten ganz neu posten bevor euer Post noch gelöscht wird.

Das nächste Thema ist: Geistervilla - Zeit habt ihr bis zum 10. März um 12 Uhr Mittags.



Aber jetzt zum Gewinner und zum Sonderpreis:

Tinka34
Das Blinde Huhn

Seelenruhig schlenderte sie durch die riesigen, hallenden Räume, bedacht darauf, sich nicht nervös umzublicken. Jede falsche Bewegung, jeder seltsame Blick hätte sie höchstwahrscheinlich verraten. Und wenn es keiner der Sicherheitsleute bemerkt hätte, dann wohl die Kameras. Aber auch diese technischen Wunder sehen natürlich nicht alles…
Es kam ihr vor wie eine Ewigkeit, als sie das Gebäude endlich hinter sich ließ. Hinter der nächstbesten Ecke atmete sie erst einmal tief durch. Es war nicht das erste Mal, dass sie so etwas machte, und man sollte meinen, das wäre ein Vorteil. Aber dem war nicht so. Je öfter sie im Museum war, Bilder bestaunte, mit Kunstliebhabern und Touristen redete und sich dabei mehr oder weniger unbewusst filmen ließ, desto öfter wurde sie von Sicherheitsbeamten angesprochen. Sie verbrachte fast jede freie Minute, die sie entbehren konnte, im Museum. Kein Wunder, dass bei den Leuten vom Sicherheitsdienst ständig Alarmstufe rot herrschte, bei den ganzen Kunstdiebstählen in den vergangenen Wochen und Monaten.
Augenblicklich musste sie grinsen. Wer würde schon annehmen, dass eine einfache zierliche Person, die in einem Restaurant als Küchenhilfe arbeitete, an millionenschweren Rauben beteiligt war? Genau, niemand. Und das war ihr großer Vorteil.
Es war ganz einfach gewesen. Fast ein Kinderspiel, nur in einem etwas größeren Format. Alles, was von Menschen gemacht wurde, hat irgendwo seinen Fehler. Man muss ihn nur finden. Ausnahmen gibt es, wenn überhaupt, nur selten. Jedenfalls bei Überwachungskameras und Sicherheitssystemen.

Sobald sie die Tür zu ihrem Apartment, einer kleinen Wohnung im 3. Stockwerk eines heruntergekommenen Stadtteils von Paris, aufschloss, donnerte ihr auch schon der Fernseher entgegen. Franck, ihr nerviger Mitbewohner, hatte ihn mal wieder auf volle Lautstärke gestellt. An dem Garderobenständer hinter der Tür hingen bereits einige mit Flicken übersäte und ziemlich armselig aussehende Jacken, also ging sie erst in ihr Zimmer, um ihre Sachen dort abzustellen. So saß sie einige Minuten auf der Bettkante und starrte die Wand an, die mit einer hässlichen grau-grünen Tapete verkleidet war. Wie sie dieses Muster hasste. Schon bald würde sie aus diesem Armenloch entfliehen können. Zwar auf eine illegale Weise, für die sie, wenn man sie erwischen würde, vermutlich für mehrere Jahre ins Gefängnis wandern würde, aber das war es wert. Ein letzter, nervöser Blick auf den Koffer, in dem ihre gesamte Zukunft lag, und sie schlich wieder ins Wohnzimmer. Sofern man diesen versifften, nach Rauch und einer Menge anderem Zeug (das sie aber lieber nicht identifizieren wollte) stinkenden Raum als Wohnzimmer bezeichnen konnte. Sie lehnte sich gegen den Türrahmen und sah ihrem übergewichtigen Mitbewohner dabei zu, wie er mit einer Geschwindigkeit durch die Programme zappte, dass es ihr unmöglich schien, dass er überhaupt wusste, wo gerade was lief.
Nach einiger Zeit, in der der Irre schon gut fünf mal die gesamten möglichen Programme durch hatte und gerade wieder neu anfing, fielen ihr die Augen zu. Nach einem Tag wie diesem wollte sie nur noch in ihr Bett, auch wenn dieses nicht besonders bequem oder warm war. Gerade noch so bekam sie mit, wie Franck für drei Sekunden auf einem Programm verharrte. Auf dem Weg zurück in ihr schäbiges Zimmer blieb sie plötzlich wie angewurzelt stehen. Noch immer donnerte der winzige TV in voller Lautstärke.

„...erneut zugeschlagen! Im Louvre, mit jährlich 8,3 Millionen Gästen das meistbesuchte Museum der Welt, wurde zum wiederholten Mal ein Bild entwendet. Der Museumsleiter Henri Loyrette spricht von einer Katastrophe, zudem es sich um - “

„Spinnst du?!“ Sie riss ihrem Mitbewohner die Fernbedienung aus der Hand und schaltete zurück auf die Sondermeldung. Dass sie sich dabei quer durch das Zimmer über die alte Couch warf, um sie zu ergattern, bemerkte sie womöglich selbst nicht.

„…Das Bild zeugt von großer Liebe und Hingabe zur Kunst. Es zeigt ein riesiges Kornfeld, in dem ein Huhn sitzt, das am Verhungern ist. Von Kunstliebhabern wird >Das Blinde Huhn< mittlerweile oft als >zweite Mona Lisa< bezeichnet. Es dürfte einige Millionen wert sein. Wie die Räuber daran gekommen sind, ist den Sicherheitsbeamten und dem Louvre-Direktor Henri Loyrette noch schleierhaft…“

So wie diese schmale, kleine Person mit ihren zerrauften roten Haaren da saß, im Schneidersitz auf dem Boden vor dem Sofa, den Blick wie hypnotisiert auf den Fernseher vor ihr gerichtet, hätte man sie leicht für verrückt erklären können.
„Bist du nur so dumm oder muss ich mir Sorgen machen?“ Arrgh. Wie gern sie diesen liebevollen, rücksichtsvollen Kerl doch hatte…
Sie zählte innerlich bis drei, bevor sie schnell ihren Kopf herum und Franck ein ironisch kurzes, böses Lächeln zuwarf.
„Merci, mon ami, aber du brauchst dir keine Sorgen um mich machen. Ich komm‘ schon allein zu Recht.“
Mit einem Ruck stand sie auf ihren schmalen Beinen und marschierte zurück in ihr Zimmer. Wieder überfiel sie die Müdigkeit, die schlagartig zurückkam, als sie es betrat. Wie in Trance watschelte sie durch die Wohnung, legte dabei ihre Sachen ab und fiel schließlich völlig übermüdet in ihr kaltes[...]Kontakte. Das Einzige, was man in diesem Geschäft brauchte, waren gute Kontakte. Und ein wenig Glück.
Sie war gerade auf dem Weg zu dem Treffpunkt, an dem sie das Bild gegen eine Menge Geld tauschen sollte. Aus Sicherheitsgründen mussten sie jedes Mal einen neuen Treffpunkt vereinbaren. Diesmal war es eine längst stillgelegte, alte Fabrik. In ihrem roten Pünktchenkleid stand sie auf dem Hof, dem Mittelpunkt der Anlage. Sie blinzelte gegen die Sonne, ihre lockigen, schulterlangen Haare wehten ihr ins Gesicht. Ihre Hände, die nervös den alten Koffer umklammerten, schwitzten. In solchen Situationen war sie ständig paranoid. Wie sollte es denn auch anders sein? Als sie die zwei Männer in ihren schwarzen Anzügen mit den schwarzen Sonnenbrillen aus ihrem schwarzen Porsche mit den getönten, schwarzen Scheiben steigen sah, wäre sie am liebsten umgedreht und Hals über Kopf vor das erstbeste Auto gerannt.
„Na, Poulétte, was hast du denn heute Schönes für uns dabei? Zeig uns doch mal, was du da in deinem Köfferchen hast.“
Poulétte. Hühnchen. Wie niedlich. Die ließen sich aber auch immer wieder was Neues einfallen. Je nachdem, um welches Bild es ging, bekam sie jeweilige Spitznamen von ihren Partnern.
„Erst das Geld“, meinte sie nachdrücklich, wobei sie versuchte, ihrer Stimme so viel Mut wie möglich beizumischen.
Einen winzigen Moment zögerte der dunkle Linke, doch dann öffnete er mit einer kurzen Bewegung die Verschlüsse seiner vermutlich schweren Tasche. Mit einem leisen Klicken legten sie einen Blick auf hunderte Geldscheine, die in ordentlichen Päckchen verschnürt waren, frei. Für den Bruchteil einer Sekunde stutzte Poulétte.
„So viel Geld. Wahnsinn.“ Damit könnte sie ihre Vergangenheit ein für alle mal hinter sich lassen. Was sie damit alles haben könnte: Eine atemberaubende Villa an der Cote d’Azur, die schnellsten Autos, die riesigsten Partys jeden Tag, warme Socken und ein bequemes Bett…
Plötzlich löste sich ein Schuss. Augenblicklich war sie wieder in der Realität, wobei aber alles wie in Zeitlupe ablief. Aus den Augenwinkeln sah sie ein bewaffnetes Kommando der Polizei am Rande der Anlage, das sich langsam näherte.
„Franck.“ Sie flüsterte sie lautlos, mehr zu sich selbst. Dass sie ihren dicken Mitbewohner für einen Augenblick irgendwo hinter dem Aufgebot der Polizei erblickte, schockte sie. Verletzte sie.
„Verräter!“ Diesmal schrie sie es. Sie brüllte es in die Richtung, in der sie ihn vermutete.
Erneut löste sich ein Schuss.
Sie spürte den Wind, als das Projektil direkt an ihrem Gesicht vorbei flog. Der Geruch nach Schießpulver hing schwer in der Luft. Ihr wurde übel.
Wieder ein Schuss.
Endlich löste sich ihre Starre, sie konnte ihre Beine wieder bewegen. Und endlich, endlich lief sie los. So schnell war sie ihr Leben lang nicht gerannt. Sie konnte das Adrenalin spüren, wie es hochschoss, ihr die Kraft gab, Ungeahntes zu schaffen. Ihre Muskeln spannten sich, sie sprang über ein Metallrohr, bahnte sich den Weg durch das Unterholz eines kleinen Wäldchens hinter der Fabrik, fand sich auf einer Wiese wieder und lief weiter. Immer nur weiter, Hauptsache, man erschoss sie nicht. Wie ein Hase floh sie vor ihren Jägern, eine hoffnungslose Partie für das Opfer. Noch konnte sie ihre Verfolger hören. Todesangst ließ sie einen weiteren Gang zulegen. Doch sie konnte nicht entkommen. Panisch warf sie einen Blick zurück. Doch was sie sah, machte ihr nicht gerade Mut.
Durch ein Megafon wurde zu ihr gesprochen, was sie ein wenig irritierte „Stehen bleiben, oder wir schießen!“ Orten konnte sie das Geräusch erst jetzt. Es kam von oben. Über ihr flog ein riesiger Hubschrauber. Wie in solchen typischen Hollywood-Gangsterfilmen. Poulétte kam es so vor, als wäre sie in einem falschen Film. Wenn es denn einer wäre.
„Lassen Sie den Koffer fallen!“ Sie hatte den Koffer noch in der Hand? Sie hatte den Koffer noch in der Hand!! Und wenn sie ihn fallen ließ? Ohne ihn würde sie womöglich überleben, andererseits…
Nein, in diesem Koffer lag ihre Zukunft. Ihre letzte Chance, aus diesem Armenloch zu entfliehen. Sie brauchte ihn. Sie durfte ihn nicht verlieren, geschweige denn einfach ihren Jägern überlassen.
Etwas sprang sie an. Zerfleischte ihr Bein. Der Schmerz breitete sich Unheil verkündend schnell in ihrem Körper aus. Poulétte schrie auf. Getroffen. Getroffen. Getroffen. Das Echo in ihrem Kopf hallte beständig wider, wollte nicht verstummen. Getroffen. Getroffen. Jetzt ist alles aus. Getroffen. Poulétte fiel. Sie stürzte einen Abhang hinunter und traf auf Asphalt auf. Sie lag mitten auf einer Straße, hoffnungslos, verwundet. In diesem Moment leuchteten zwei Lichtkegel auf, die schnell auf sie zukamen. Sie hatte keine Chance. Das Auto würde sie überfahren als wäre sie ein totes Tier. Sie schloss die Augen und bereitete sich auf das Ende vor. Sie hatte nicht einmal Angst.
Doch sie spürte keinen Schmerz. Es ging alles so schnell. Der PKW machte eine Vollbremsung, raste haarscharf an ihr vorbei und kam 20 Meter später zum Stehen. Sofort riss eine Person die Vordertür auf. Eine Frau mittleren Alters sprang heraus und lief zu ihr herüber, sie hatte wahrscheinlich Angst, sie hätte jemanden überfahren. Mir wurde schwindlig, schwarz vor Augen. Von weit, weit entfernt, drang eine Stimme zu ihr durch.
„Sind sie verletzt? Oh Gott, ein Notarzt! Ich muss Sie ins Krankenhaus bringen!“
Was sagte die da? Ins Krankenhaus? Damit alles umsonst war? Wenn sie dort wäre, würden sie die Bullen finden und hinter Gitter stecken.
„Nein!“ Noch ein letztes Mal klang ihre Stimme fest und durchdringend. „N-Nicht ins Krank-Krankenhaus!“ Die Welt drehte sich um sie. „Der Koffer! Nicht…vergess...vergess...vergessen.“
Dann wurde Poulétte ohnmächtig.

In den darauf folgenden Tagen hatte sie sich gründlich erholt. Seit diesem Morgen war viel passiert. Die Frau, Anouschka, und ihr Mann Tim, der gleichzeitig Arzt war, hatten sie bei sich aufgenommen. Dort hatte er ihr auch die Kugel entfernt. Glücklicherweise hatte sich die Wunde nicht entzündet, ansonsten hätte sie wohl doch noch ins Hospital müssen. Anouschka hatte sie an jenem Tag gehört, sie mit sich nach Hause genommen und dort gepflegt. Sogar der Koffer hatte in einer Ecke ihres Zimmers gestanden, das übrigens wunderschön eingerichtet gewesen war und einen wunderbaren Duft versprüht hatte. >Unser GästezimmerSchon nach wenigen Wochen war Sie wieder top fit gewesen. Hier hatte man sich wirklich rührend um sie gekümmert. Trotzdem, wie es nun mal so ist, vergeht alles einmal. Und so hatte sie auch das Haus ihrer >Pflegeeltern< verlassen müssen.
Inzwischen hatte sie wieder einige Klamotten und andere Dinge zusammenraffen können, Geld hatte sie jedoch keines.
Dafür aber ein Bild. Ein Bild, das wahrscheinlich mehrere Millionen Euro wert war, ein Bild, weswegen man sie suchte und beinahe erschossen hätte.
Aber nur fast. Denn Anouschka und Tim hatten sie nicht verraten. Anfangs hatte sie den beiden nicht über den Weg getraut, unbegründet, wie sich später herausgestellt hatte. Sie hatten nicht ein einziges Mal in den Koffer geblickt, während sie geschlafen hatte, sie hatten sie nie darauf angesprochen. Heute, wenn sie darauf zurück blickt, ist ihr klar, dass sie es trotz allem gewusst haben mussten, was den Inhalt anging.
Wie auch immer, jedenfalls hatte sie das Häuschen verlassen müssen. Sie war durch Straßen gewandert, völlig planlos. Sie war vor den tollsten Boutiquen Paris‘ gestanden, hatte hineingesehen und ihre Nase an die Scheiben gedrückt. Meistens hatten sie die Besitzer nach wenigen Minuten weggeschickt, sie wollten keine Obdachlosen vor ihren Nobelläden. Und das war sie ja auch gewesen, auf eine Weise. Zu ihrem Job als Küchenhilfe war sie seit jenem Tag nicht mehr erschienen. „Wie denn auch“, hatte sie sich gefragt, „ich werde gesucht“. Und tatsächlich, in jedem Fernseher und Radio waren ständig irgendwelche Fahndungen nach ihr gelaufen.
Noch heute weiß sie nicht, wie, jedenfalls hatte sie so eine Weile gelebt. Bis ihr bewusst geworden war, dass es so nicht weitergehen konnte. Ihr Beschluss hatte festgestanden. Ihr Ziel hatte sie längst nicht aus den Augen verloren. Also hatte sie ihre naturroten Haare dunkel gefärbt und sich eine neue Identität zugelegt. Das war nicht ganz einfach gewesen, doch sie hatte es geschafft. Wie gesagt, in diesem Geschäft brauchte man nur gute Kontakte.

Irgendwann war der Tag gekommen, an dem ihre Zukunft beginnen sollte. Sie hatte ihr Bild loswerden wollen, sie hatte das Geld gebraucht. Sie hatte Das blinde Huhn zum letzten Mal betrachtet. Es war ein atemberaubender Anblick gewesen. Es war ihr ein Rätsel gewesen, wie man so mit Farbe und Pinsel umgehen konnte. Ein so schwungvoller Stil, den der Künstler verwendet hatte, und der gleichzeitig alle Gefühle ausdrücken konnte. Das Kornfeld um die Mitte herum, in dem das Huhn saß, war so eindrucksvoll gearbeitet gewesen. Man hatte fast geglaubt, man stehe als Betrachter nicht vor einem Bild, sondern vor dieser Landschaft selbst und sehe sie. Den Sonnenuntergang im Hintergrund. Das Korn, das sich im Wind neigt. Atemberaubend. Einfach wundervoll. Und dann war da der Mittelpunkt des Bildes, dieses magere Huhn. Am Verhungern, und doch ist um es herum so viel, was man essen könnte. „Sperr die Augen auf. Es ist nicht vorbei.“ Sie hatte noch ein allerletztes Mal darauf geblickt. Ein Wunderwerk. Fantastisch. In diesem kurzen Augenblick hatten sich ihre Gedanken und die des Huhnes vereint, sie hatte sich mit ihm identifiziert. Auch sie war so alleine und hoffnungslos gewesen. Niemand hatte ihr helfen können, es hatte auch keiner versucht.
Und doch, irgendwie, wenn sie nur die Augen weit genug öffnete, würde sie sehen, was um sie herum war.
In diesem Moment wurde ihr klar, dass es für jeden Hoffnung gibt. Sogar für sie. Poulétte reichte dem Mann unter der Brücke, unter der sie standen, das Bild in dem Koffer. Dagegen erhielt sie zwei Taschen vollgepackt mit Geld. Sie lächelte. Darüber, dass nun alles besser werden würde. Dass sie wieder Hoffnung hatte. Ihre Zukunft konnte beginnen.


Sonderpreis:
CryptoBLN

Das blinde Huhn

Im hohen Norden, wo es recht kalt,
kräht Paul der Hahn,er war schon alt.
Nach altem Brauch und alter Sitte,
mit voller Kehle unterm Baum, der Quitte,
ertönt sein ruf so wie der Schall.
Schon wird es laut im Hühnerstall.

Wildes Gackern kreuz und quer,
ein Lärm wie im Berufsverkehr.
Die ersten Hennen, nicht nur die dicken
am Futtertrog beginn zu picken.
Korn für Korn und immer mehr,
der Po wird rund, der Trog dann leer.

Nur Karo schlief in ihrem Neste,
sie war zwar blind dennoch die Beste,
wenn es ums legen ging der Eier
da keiner sah den Augenschleier.
So lebt sie dort ganz ohne Frust
im Hühnerstall sammt Hühnerbrust.

Es kommt der Tag und geht auch wieder,
Paul kräht erneut und streckt die Glieder.
Auch Karo sollt ins Bett nun gehn,
nur blieb sie heut vorm Stalle stehn.
Paul schaut recht grimmig,"Nun aber fix!",
sie schaut zurück nur sieht sie nix.

Als die Nacht heran,so gegen zwei
schleicht, durch den Zaun ein Fuchs herbei.
Ein listger Dieb,das ist der Kurt
und ständig ihm der Magen knurrt.
Da sah er sie, recht drall und fett,
sie schlummert brav doch nicht im Bett.

Auf leisen Pfoten, er war fast dran,
pirscht er sich auf nen Meter ran.
Er spürt ihr Herz es klopft und klopft.
Speichel fließt, nun mehr, es tropft.
Sabbernd er den letzten Schritt noch geht
reißt auf sein Maul.So dicht er steht!

Karo,aus dem Traum erwacht,
schreckt auf, holt aus,es kracht.
Der Kiefer knackt ein Zahn bricht aus.
Kurt wird schlecht er will nachhaus.
Ein Hakenschlag nach hier nach dort,
durch den Zaun dann rennt er fort.

Kaum das sie hat sich aufgebäumt,
wird flott nun wieder losgeträumt.
Nun ist's vorbei bald mit der Nacht,
beim drehen sie nur eins gedacht:
"Wie Stressig dieser Liebeswahn!"
Sie dacht ja es war Paul.Der Hahn.

Und die Moral von dem Gedicht,
Traum bleibt Traum ob man ihn sieht oder auch nicht.